Minden, im September 2014

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wie schon oft möchte ich mit dem „Wetterbericht“ beginnen. Der sieht nicht gut aus für Sabarkantha in diesem Jahr. Zwischen dem 1.6. bis zum 18.8. sind in  Gujarat statt in diesem Zeitraum (durchschnittlich) 642mm nur 448mm gefallen. Das hört sich noch nicht so dramatisch an – aber für Sabarkantha, das im Norden von Gujarat liegt, sieht die Regenbilanz noch viel schlechter aus.

Father Peter hat mir allerdings im August am Telefon erzählt, dass er noch Hoffnung hat. Es würde vielleicht Anfang September noch gute Schauer für Poshina geben, meint er.  Dann könnten die Bauern wenigstens noch Weizen im Herbst anbauen – für Mais ist es jetzt zu spät, wenn die Bauern keinen guten Brunnen für Bewässerung hatten.

— letzte Meldung: In Poshina hat es etwas geregnet, weiter östlich recht gut. —

Bisher läuft im kleinen Fluss, der in der Nähe der Dörfer Mamapipla und Padapat und dann hinter Father Peters Grundstück vorbeiführt, noch kaum Wasser. Die Gegend nördlich von Pipalia dagegen hat ein wenig Regen abbekommen und beim Städtchen Vijaynagar, wo unsere Freiwillige Charlotte Heeren bis zum Frühjahr gearbeitet hat, ist der große Stausee durch gute Regenfälle fast gefüllt. In Jivan Wadi aber, dem Wohnsitz von Fr.Peter, läuft jetzt – mitten in der „Regenzeit“! – die Bewässerungspumpe, um den gesäten Mais zu retten. Dabei wären jetzt die Tage, an denen die Bauern sich gegenseitig bei Besuchen vom ersten süßen milchreifen Mais zum Abknabbern anbieten.

Letzte Jahr hatte es ja sehr gut geregnet. Die Grundwasserschicht, die den Brunnen auf Jivan Wadi speist, ist voll. Im April schriebt Fr. Peter: „ Mehr als ein Dutzend Arbeiter sind eifrig dabei, den Weizen auf unserem Grundstück zu ernten. Wir bekommen eine sehr gute Ernte dies Jahr. Das bedeutet, dass wir für die Kinderheime genug Weizen das ganze Schuljahr hindurch haben werden. Aber die armen Arbeiter müssen den Brand der starken und heißen Sonne ertragen. Wenn der Weizen geschnitten und gebündelt ist, lassen wir die an einen Traktor angeschlossene Dreschmaschine kommen. Sie sind schnell. Im Feld gleich hinter dem Gemüsestreifen haben wir schon Daal (Linsen) der Sorte „mong daal“ gesät. Die meisten Farmer, die bewässern können, nehmen diese Sorte, weil die Knöllchen an ihren Wurzeln den Boden mit Stickstoff für die folgende Maissaat anreichern. Unsere Kinder lieben diese Linsen, besonders zusammen mit Reis.

Am 2.Mai haben wir unser traditionelles Sommerlager bis zum 12 Mai …“

Beim Sommerlager, an dem auch wieder Kinder des im Moment geschlossenen Heimes Bedi teilnehmen können, waren es diesmal über 100 Kinder, die auf der riesigen blauen Plane auf dem Hof von Fr. Peter schliefen. Rings um das Gelände war in weitem Kreis ein Mittel, um die Schlagen zu vertreiben ausgegossen, damit die Kinder nicht beim Schlafen  gebissen werden. Diesmal nahm ein Freund Fr. Peters teil, der den gespannt zuhörenden Kindern biblische Geschichten erzählte.

 

 

Der Hindernislauf von Mamapipla

Im letzten Rundbrief habe ich über „die Kinder von Bedi“ noch hoffnungsvoll geschrieben, dass Fr. Peter hofft, das neue Heim im Nachbarort Mamapipla noch im Juli eröffnen zu können. Daraus ist nichts geworden. Warum das so kam? Das ist eine lange Geschichte:

Die Dorfältesten von Mamapipla haben Fr. Peter ein Grundstück angeboten. Das Dorf hatte nämlich von der Forstbehörde 1ha Land bekommen, um dort eine weiterführende Schule zu bauen. Sie sagten sich aber, was nützt uns eine weiterführende Schule, wenn wir keine Kinder haben, die dafür in unserer leider recht schlechten Grundschule (1. – 7. Schuljahr) die dafür notwendige Qualifikation erreichen. Und dann kamen sie auf die Idee, Fr. Peter die Hälfte des Grundstückes anzubieten. Sie wussten ja, dass die Kinder in seinen  Dorfschulkinderheimen so gut gefördert werden, dass sie die Qualifikation zum Weiterlernen meist erreichen.

Also bekam Fr. Peter das Grundstück durch Beschluss der Dorf-Vollversammlung überschrieben. Das Schriftstück mit den über 100 Unterschriften/Fingerabdrücken habe ich im Januar ansehen können. Daraufhin hat Fr. Peter die Hügelkuppe, auf der das Heim stehen sollte, planieren lassen. Ein benachbarter Bauer lieferte das Wasser für den Bau und bald waren die Grundmauern aus Feldsteinen fertig.

Als der Bau soweit war, wollte der Bauer, der bisher das Wasser für die Pauschale von 100 Rupien geliefert hatte, diesen Betrag täglich kassieren. Weil Fr. Peter da nicht mitmachte, kam der Bau ins Stocken. Und als der Streit mit dem Bauern mithilfe einer erneuten Dorfver-sammlung irgendwie geschlichtet war, zeigte sich das nächste Problem. Die Bezirksregierung hatte von der Vereinbarung des Dorfes mit Fr. Peter Wind bekommen und stellte sich quer: Das Grundstück sei für eine Schule gedacht und nicht für ein Schülerheim. Wie die Geschichte – gut indisch – weitergeht, steht vielleicht schon im nächsten Rundbrief. Fr. Peter denkt, dass er vielleicht in der fertigen Schule einen Raum für das Heim bekommt – oder an einer anderen Stelle des Dorfes. Aufgeben will er jedenfalls nicht. Die Kinder von Bedi/ Mama-pipla und den anderen kleinen Dörfern in den Bergen brauchen dringend bessere Schulbildung.

Das Verwirrspiel um eine „St. Mary-School“ in Poshina. Weil es in Indien bekannt ist, dass die Schulen der christlichen Kirchen meist sehr gut sind, haben  nichtchristliche Organisationen begonnen, ihre Schulen nach christlichen Heiligen zu nennen.  So bekam Fr. Peter im letzten Monat ein Flugblatt gezeigt, in dem für eine St.Mary-School in Poshina geworben wurde: „Schön“, sagte der Überbringer zu ihm. „Sie machen im kommenden Jahr eine Schule auf. Kann ich meine Kinder anmelden?“ „Davon weiß ich nichts“, musste er dem überraschten Vater sagen. – Da auf dem Flugblatt nur eine Telefonnummer angegeben ist, weiß er nicht einmal, wer denn eigentlich dieser Trittbrettfahrer ist, der sich mit fremden Federn schmücken will.

 

Wann Fr. Peter seine geplante Schule bauen kann, ist auch noch nicht abzusehen. Das liegt an der durch Bürokratie und dem Wunsch nach immer neuen Bestechungsgeldern schon fünf Jahre verzögerten Übertragung des Grund-stückes Jivan Wadi auf den Namen der Katholischen Kirche.   Im Moment kann er nicht auf „seinem“ Grundstück wohnen, weil das während des Übertragungszeitraumes nicht erlaubt ist. Er besucht seine Heime 2 mal die Woche von Vijaynagar aus – dort hat er vor 20 Jahren als junger Priester gelebt. Dieses „heimatlos sein“ fällt ihm sehr schwer und er sehnt sich nach der Zeit, wo er wieder in Jivan Wadi ein kann. Dann will er mit allen Kindern  und Mitarbeitern ein großes Freudenfest feiern.

1Kinder im Schülerheim   von Pipalia beim Reinigen von Weizen. Kleine Steine und  Spelzen werden aus-   gelesen und auf den Hof geworfen. Wenn einige  Kör-ner mitkommen, schadet das nichts – nachher kommen die Hühner der Nachbarn und picken sie auf.

 

 

 

 

 

 

2„Straße“ zum Schülerheim in Pipalia – da kann man nur mit Vierrad Antrieb hochkommen!

In der Spielzeit spielen die Kinder auf dieser Straße Kricket

– sehr oft  ist einer damit beschäftigt, den Ball aus den Dornenbüschen rechts und links des Weges herauszuangeln.

 

 

 

3 Hier, im Eingangsbereich  seines Hauses schläft Father Peter. Das Bett links wird vor die Türöffnung gezogen, damit die drei Hunde, die Haus und Grundstück bewachen, ihn nachts nicht stören.

Er meint, auch die Katze würde nicht über die „Tür“ klettern können.

 

 

 

 

4 Eine Seite des Dokuments für die Gebietsübertragung in Mama Pipla, die dann von der Bezirksregierung als unerlaubt erklärt wurde.

(Rechts ist oben.) Da kann man sehen, dass einige der Hausvorstände im Dorf ihren Namen schreiben können. Alle anderen müssen mit dem Fingerabdruck unterschreiben.

 

 

 

 

Herzlichen Dank noch einmal an alle, die durch ihre kleinen und großen Extra- Beiträge die Arbeit von Charlotte ermöglicht und unterstützt haben. In ihrem Abschlussbericht berichtet sie beispielhaft für das, was sie in Indien erlebt hat, von zwei Begegnungen mit Menschen die sie sehr beeindruckt, bzw. beeinflusst haben:
„Als erstes wäre hier die Jamna  zu nennen. Sie ist, wie ich ja schon öfter berichtet hatte, Erzieherin im Hostel in Vijaynagar. Es hat mir einfach sehr gut getan, eine Freundin zu finden und zu merken, dass Menschen eben Menschen sind und vielleicht durch Erziehung und kulturelle Umgebung  geprägt sind, aber trotzdem eine Freundschaft möglich ist. Sie ist ja auch grade durch gewisse Unterschiede sehr interessant.
Am Anfang hatte ich tatsächlich eher gedacht, man könne gar nicht so richtig miteinander befreundet sein, weil man ja aus völlig unterschiedlichen Lebensumständen kommt. Ich dachte, es ginge nicht auf eine Wellenlänge zu kommen. Gott sei Dank durfte ich merken, dass das überhaupt nicht stimmt und man sogar sehr viel voneinander lernen kann. Es war einfach ein lebendiger Austausch und dieses liebe, einfühlsame und dabei so authentische Mädchen hat mich einfach angezogen.
Viele Strukturen sind auch einfach in beiden Ländern gleich, Freundschaften funktionieren gleich und z.B. pubertäre Mädchen hier und dort verhalten sich auch ziemlich gleich.
So ist das Fazit hier eher, dass die Menschen an sich doch gar nicht so unterschiedlich sind obwohl das Land auf den ersten Blick so unglaublich anders erscheint.
Meine zweite Begegnung war im Behindertenheim für Kinder in Ahmedabad, wo ich zwei Wochen hospitieren durfte.
Das Mädchen hieß Puja (ich hoffe ich schreibe das jetzt richtig) und war acht Jahre jung. Sie hatte keine richtige Familie mehr und ein ziemlich schweres Schicksal hinter sich. Abgesehen von ihrer geistigen Behinderung hatte sie z.B. den Tick, immer Dreck in die Hand zu nehmen und den auf der Handfläche zu zerreiben. Darauf wurde dann wie in den meisten schulischen Einrichtungen in Indien, mit Schlägen reagiert. Darüber hinaus schien sie völlig in ihrer eigenen Welt zu leben und nicht sehr viel auf ihre Umgebung zu reagieren. Das wurde ihr als störrisches Verhalten ausgelegt.
Irgendwie hatte sie mich vom ersten Moment an angezogen und sobald sie merkte, dass ihr jemand Nähe und Zuwendung schenkte, fing sie an zu lächeln und kam angelaufen, sobald man rief. Sie begann mit mir Ball zu spielen und insgesamt auch fröhlicher und zugänglicher zu sein.
Alle dieser Kinder haben sich auf jeden Fall über die Zuwendung gefreut und ich hatte unglaublich viel Spaß mit Ihnen. Ihre Art zu kommunizieren und mit mir zu spielen hat mir einfach gut gefallen, und ich habe mich einfach in der Umgebung sehr wohl gefühlt.
Ich könnte mir sogar gut vorstellen beruflich in diese Richtung zu gehen. Hier wie dort leben diese kleinen Menschen häufig eher am Rande der Gesellschaft. Mich hat diese Vielfalt aber um einiges bereichert und ich finde es einfach gut, dass es so viele Unterschiede zwischen Menschen gibt und dass es eben auch Menschen gibt die viel Hilfe brauchen, genauso wie es viele gibt, die diese geben können.“      gez. Charlotte Heeren

 

Mit herzlichen Grüßen

sind wir     

Ihre

                 Mechthild Linnemann    und    Ehrhardt Wichmann