Liebe Freunde von Bäume für Sabarkantha!                                                      Nov./Dez.  2012

 

Wie war der Monsun dieses Jahr in Sabarkantha?

Der Monsun kam auch in diesem Jahr spät, brachte aber zu Beginn gute Regenfälle. Die Bauern konnten ihre Felder, meist mit Mais, bestellen.

Dann hörten die Niederschläge aber wieder auf und erst im September setzte starker Regen ein. Der Mais, der schon Trockenschäden zeigte, erholte sich und brachte bei der Ernte doch noch ordentliche Erträge. Auch die kleinen Flüsse führten wieder Wasser, bis jetzt – ein Zeichen dafür, dass auch die Grundwasservorräte  aufgefüllt wurden. Zu Beginn der zweiten Regenperiode waren die Niederschläge so stark, dass mehrere der „Brücken“ (Furten mit Betonstreifen befestigt) zerstört wurden. Die Heime Pipalia und Bedi waren mehrere Tage nicht erreichbar.

        
Der Fluss zwischen Jivan Wadi und Poshina

Beim Heim im Dorf Padapat hat es Veränderungen gegeben. Father Peter schreibt am 20. Juni in seinem Brief: „Kommen wir zum traurigen Punkt unserer augenblicklichen Lage: Ich werde gezwungen nach einem neuen Platz zu suchen, um das Heim Padapat weiter zu führen – nicht weit von der Schule entfernt. Nahendrabhai und seine Frau (sie stellten bis dahin ihr neues Haus zur Verfügung) haben uns nicht viel Zeit gegeben, um das Problem zu lösen. Sie erzählten es uns eher nebenbei ein paar Tage vor Schulbeginn…. Ich wünschte, sie hätten es mir wenigstens zwei Monate vorher gesagt, dann hätte ich einen anderen Platz für die Kinder arrangieren können…Ich glaube, hinter allem steckt seine Frau Navlikaben. Sie ist schwere Alkoholikerin mit all dem, was damit zusammenhängt. Die Anwesenheit der Lehrer und Kinder hat sie daran gehindert, sich so gehen zu lassen, wie sie gerne wollte. Ihr Mann hat in dieser Sache nicht zu sagen. Seine Frau bestimmt alles und beherrscht jeden.“

Anschließend schildert Father Peter noch, dass Mahendrabhai durch einen Unfall, bei dem sein Sohn beteiligt war, in große Schwierigkeiten geraten ist. Was er erzählt, wirft ein Licht auf die Art und Weise, wie die Adivasi in diesem Gebiet Sabarkanthas Rechtsprobleme behandeln. Weil das hier zu weit führt, berichte ich davon in einem anderen Artikel.

Jedenfalls musste Fr. Peter nun neue Räume für die Kinder suchen, möglichst in der Nähe der Schule.                   Die neuem Räume für die Kinder (unten hinter dem Auto)

Im selben Brief berichtet er: Gestern ging ich zur ‚Primary School'(1.-7.Klasse) von Padapat. Neben der Schule steht ein großes zweistöckiges Haus. Es gehört einem Mann, der das Verteilungs-zentrum für das Getreide  der Regierung betreibt. Er hat mir versichert, ich könne die unteren

Räume  benutzen, um mein Schülerheim unterzubringen. So käme es für die Kinder, die aus abgelegenen Dörfern kommen, zu keiner (zu langen) Unterbrechung ihres Unterrichts. Ich muss natürlich Einrichtungen bauen wie einen Wassertank, Waschplatz, Leitungen und eine  elektrische Pumpe, um Wasser von einem nahen Brunnen zu holen usw. Ich habe (den Besitzer) Rameshbhai Dhabi darum ersucht, uns diese Möglichkeit für wenigstens 5 Jahre zu geben. Damit scheint er einverstanden zu sein.

Nun kommt der Monsun bald. Ich muss in kurzer Zeit Steine besorgen, Ziegel, und Sand und Zement. Zuerst den Sand aus dem (nahen) Bachbett, denn wenn dort  wieder Wasser fließt, ist er unerreichbar.“

 

Inzwischen  läuft der Betrieb im neuen Heim mit den alten Mitarbeitern zur Zufriedenheit.  Vier Räume gibt es im Untergeschoss: Einer für das Lernen, Spielen und Schlafen der Kinder, eine Kammer für Lehrer Narayanbhai, den Leiter des Hauses, ein zweiter Unterrichtraum und eine Küche. Etwa 200m von Heim und Schule entfernt können die Kinder an einer niederen Staumauer des Baches baden. Dort steht noch lange Wasser, auch nach dem Ende des Monsun. Noch sind die Räume in einem hässlichen Grün gestrichen, das soll bald geändert werden.

Erinnern Sie sich noch an Karan, den kleinen Waisenjungen aus Padapat mit dem traurigen Gesicht? Er hat zusammen mit seinen etwas älteren Brüdern am Sommerlager in den ersten 14 Tagen des Mai teilgenommen. Fr. Peter schreibt am 7.Mai: „Während ich schreibe, tummeln sich alle Kinder unter der großen „Brause“ der Wasserpumpe am Brunnen. Sie quietschen und schreien vor Vergnügen, ihre nackten Körper glitzern im Sonnenlicht. Gutu (Spitzname von Karan) steht am Rand und wird von einem der größeren Jungen gewaschen. Was für eine zauberhafte Veränderung des Jungen in der Woche, seit er hier ist. Er redet viel, lacht schnell, tanzt mit all den Kindern am späten Abend zu irgendwelcher Discomusik – und zu essen hört er überhaupt nicht auf. Vincent (der Koch) und alle die Kinder verwöhnen ihn die ganz Zeit….Gerade kommt er nackt an den Tisch (an dem Father Peter auf seiner Schreibmaschine schreibt), um mir zu erzählen, wie er mit gebadet hat. Ich sage ihm, er soll eine Weile in der Sonne stehen, damit er wieder trocken wird.“

Nach dem Ende der Sommerfreizeit fiel er zwar für eine Zeit in seinen depressiven Zustand zurück, aber seit das Schülerheim wieder eröffnet ist, taucht er dort immer wieder auf, um seine zwei älteren Brüder zu besuchen, dann läuft er aber schnell zurück zu seinem Onkel, bei dem er wohnt, weil dort jetzt auch ein kleines Mädchen lebt, mit dem er gerne spielt.

In Pipalia läuft es wie gewohnt unter der Leitung des fröhlichen Naranbhai. Seine Frau ist glücklich und hat nun ein Mädchen geboren. Sie ist auch Lehrerin und wohnt bei ihrer über 100 km entfernten Schule. Aber in den Ferien kommt sie, um mit Ihrem Mann in Pipalia oder auch Jivan Wadi zusammen zu sein.

Brief 7.5.: Naranbhai und seine Frau sind bei uns. Ich sehe ihn oft unter dem Mango Baum mit seinem kleinen Mädchen. Das erinnert mich an diese Zeit in Meghraj, wie Naranbhai damals als Junge für diese lebendigen Spiele zum Weihnachtsfest die Rolle einer alten Frau gespielt hat, die versuchte ein schreiendes Baby zu beruhigen. Früher war es ein Spiel, jetzt wirkliches Leben! Und jetzt ist er so erwachsen und ausgeglichen!

Naranbhai und Fr. Peter mit den im Januar mitgebrachten Handpuppen.

 

In Bedi sind mit dem Beginn des neuen Schuljahres noch mehr Kinder dazu gekommen, es sind nun 55!, darunter 20 Mädchen. Jetzt redet wohl kaum einer noch im Dorf davon, dass Mädchen nicht in die Schule gehen sollten. Ein erstaunlicher Wandel in so kurzer Zeit.

Weil auf der Veranda, wo die Kinder bisher wohnten, lernten und auch schliefen, nicht mehr Platz war, hat Fr. Peter über den kleinen Vorplatz ein Dach bauen lassen, damit es dort in der Regenzeit trocken bleibt.  Ein Bauer (und Alkoholschmuggler – die Grenze zu Rajasthan, wo Alkoholverkauf erlaubt ist, liegt nahe), der in der Nähe wohnt hat,  als er von den Problemen hörte, angeboten, dass ein Teil der Kinder gerne bei ihm in seinem neuen Haus schlafen könne. Ob es dazu gekommen ist weiß ich allerdings nicht.

Im Haus und auf dem Grundstück von Father Peter, Jivan Wadi, ist immer viel los. Er bekommt oft Besuch von Freunden, ehemaligen Schülern und Bittstellern.

Im Sommer hatten er alle Kinder aus den Heimen zu einem Festtag eingeladen: „Am 19.August hatten wir alle Kinder hier zu einem guten Essen und einem schönen Zusammenkommen von Lehrern und Schülern. Ein Koch aus Poshina Stadt (Städtchen müsste er eigentlich schreiben) lieferte Süßigkeiten und Essen. Die Kinder kamen mit Treckern und Anhängern von allen drei Heimen, fast 170 Kinder! Platz für Spiele gab es zwar nicht (die Felder waren alle ‚belegt‘ mit Gemüse und Getreide – sonst wird auf den abgeernteten Flächen gespielt), aber sie unterhielten sich gegenseitig mit Gesangs- und Tanzwettbewerben. Auch der kleine Held Karan war mit dabei – nur ein Strahlen! Mit den Älteren zusammen bekam er zum Abschluss eine gute Dusche an unserem Brunnen.“ (Dazu wird das große Bewässerungsrohr aus Plastik so hochgehalten, dass ein dicker Strahl (durchaus warmes) Wasser aus dem Brunnen in weitem Bogen auf das flache Betonbecken pladdert, aus dem das Wasser dann zu dem gewünschten Feldabschnitt fließt.)

 

Wahrscheinlich wird eine Abiturientin ab Herbst 2013 ein Freiwilliges Soziales Jahr in Sabarkantha unter der Leitung von Father Peter leisten. Dafür werden wir etwas zusätzliches Geld brauchen. Im nächsten Rundbrief  schreiben wir genaueres dazu.

 

Das Problem der Dorfschulen in Sabarkantha

Die Regierung des Staates Gujarat gibt eine ganze Menge Geld für Schulen, auch für die Dorfschulen aus. Es gibt eigentlich auch genug Lehrer. Seit einigen Jahren besteht endlich eine allgemeine Schulpflicht.  Dennoch sind die Ergebnisse kläglich: Viele Kinder besuchen die Schule nur sporadisch, vor allem Mädchen. Ein guter Teil der Kinder kann nach sieben Jahren Unterricht weder richtig lesen noch schreiben. Nach meinen Wahrnehmungen liegt das auch an den Lehrern der Dorfschulen.

Die Lehrer kommen zum allergrößten Teil aus der Stadt, sie gehören der Mittelschicht an. Ihre Ausbildung ist kurz und nachdem was wir an Unterricht miterlebt haben, eher dürftig.

Ein großes Problem ist, dass ihnen die Lebenswelt der Kinder sehr fremd ist. Zum Teil klappt auch die Verständigung nicht gut, weil sie Hindi und Gujarati sprechen, aber nicht die Mundart der Dorfleute an der Grenze zu Rajasthan. Und dann kommt noch die Kastenproblematik hinzu. Die Adivasi um Poshina sind zwar nominell Hindus, aber sie rangieren auf der untersten Stufe der Kastenordnung.

Die meisten Lehrer gehen nicht freiwillig aufs Dorf. In den ersten 5 Jahren ihrer Dienstzeit werden sie dorthin geschickt, bekommen nur 3.000 Rupien (danach 8.000!). Das ist schon deshalb wenig, weil sie nicht auf dem Dorf wohnen können. Dort gibt es keine freien Wohnungen. Sie müssen also täglich fahren, entweder mit dem unvorstellbar überfüllten Sammeltaxi oder mit dem Motorrad.

Das kann dazu führen, dass Lehrer vorzeitig mit dem Unterricht aufhören, um einen erträglichen Platz im Taxi zu bekommen.

Wir haben aber auch mehr als eine Stunde vor Unterrichtsschluss Lehrer zu zweit auf einem Motorrad auf dem Heimweg gesehen.

Die Schulbehörde weiß von dem Problem. Als wir morgens an einer winzigen Dorfschule in der Nähe von Padapat vorbeikamen, sahen wir zwei Lehrer vor dem Gebäude miteinander reden. Eine kleine Gruppe von Kindern wartete vor dem Klassenraum, obwohl die Tür offenstand. Drinnen lief ein Computer. Fr. Peter erklärte: Der PC dient nicht für den Unterricht, sondern als Kontrolle. Die Lehrer müssen ihre rechtzeitige Anwesenheit mit ihrem Fingerabdruck auf dem Bildschirm nachweisen. Aber natürlich kann der PC nicht kontrollieren, ob die Lehrer auch mit dem Unterricht beginnen. Als wir zu dieser Schule kamen, war es schon mehr als eine Stunde nach Unterrichtsbeginn. Während wir mit den beiden sprachen, setzten sich die wenigen anwesenden Schüler in den Klassenraum. Ob die Lehrer mit dem Unterricht begonnen haben, nachdem wir weitergefahren sind?
Besonders traurig fand ich, dass wir gerade in dieser Schule bei unserem letzten Besuch einen sehr engagierten Lehrer kennen gelernt hatten, der sogar am uppnterrichtsfreien Nationalfeiertag anwesend war und für die Kinder ein gemeinsames Essen organisiert hatte.

Father Peter ist froh, dass er in den Dorfschulheimen auf ehemalige Schüler zurückgreifen kann, die Lehrer geworden sind.  Sie sind selbst Adivasi und kennen die Lebenswelt ihrer Schüler.

 

Von Herzen wünschen wir Ihnen eine frohe Adventszeit und ein gesegnetes Weihnachtsfest.

Im neuen Jahr gibt’s wieder die Spendenbescheinigungen, sobald das Kreiskirchenamt Zeit dafür findet.

Herzlichen Dank für alles Interesse und Unterstützung

Ihre

Cornelia Haber    und

Ehrhardt Wichmann

 

 

Wenn Sie den Brief in Zukunft als Email haben wollen, bitte an ehrwi@gmx.de schreiben