Liebe Freunde!

Es ist gar nicht so lange her, da bin ich mit meinem Sohn Friedrich aus Poshina/Sabarkantha nach langer Flugreise wieder zurückgekommen.

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich noch alles vor mir:

Wir sitzen an der Marmorplatte unter dem großen Mangobaum. Die Sonne schickt sich an, langsam hinter dem steilen Bergkegel bei Padapat unter zu gehen. Es ist noch warm, vielleicht +25 Grad.

Auf dem Hof vor Father Peters altem Bauernhaus toben Pupies (kleine Hunde) quiekend und tapsend herum. Am flachen Wasserbecken vor dem Brunnen sitzen die beiden Frauen, die beim „Landlord“ das große Rizinusfeld gejätet haben und schwätzen. Zum zweiten Mal am Tag kommen drei Kinder von nebenan, um sich Wasser vom Zapfhahn zu holen und sicher auf den Köpfen balancierend  nach Hause zu tragen. Ein Bauer hat seine zwei Zugochsen am Becken getränkt und treibt sie zurück über die Landstraße. Der junge Ramesch hat seine Tagesarbeit im Gemüsegarten von F. Peter geschafft. Er trägt seine kurzstielige Hacke über der Schulter, lacht uns wie immer freundlich an und läuft dann nach Hause.

Ihn haben wir vor einigen Tagen bei seiner Eltern besucht.
Ihr altes Haus ist auf den Felsplatten eines kargen Hügels gebaut – im heißen Sommer bei über 40 Grad muss es dort unerträglich sein  auf den von der Sonne  aufgeheizten Steinen! Jetzt im Winter  wächst in den Senken grüner Weizen auf den kleinen Feldstücken. Ramesch will wohl heiraten, meint Fr. Peter, denn er hat mit seiner Familie begonnen, ein neues Haus aus mit Lehm verbundenen Bruchsteinen  zu bauen. Als Dach dient bisher eine große Plastikplane von krummen und dünnen Rundhölzern und Bambusstangen gehalten. Bauholz für eine ordentliche Dachkonstruktion ist schwer zu bekommen und fast unerschwinglich.

 

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Am 20. Januar kam Fr. Peter strahlend von einem Besuch der Kreisverwaltung Poshina zurück.

Als er aus seinem Jeep steigt, schwenkt er ein Stück Papier. „Today is a big day. I got it!“ lacht er. „Ich habe endlich nach 10 Monaten das Besitzdokument für immerhin 60% meines Grundstückes bekommen.“ Er erzählt, dass er fast jede Woche beim zuständigen Sachbearbeiter vorsprach und immer wieder vertröstet wurde: „In einer Woche – in 14 Tagen…“  Dann musste der Mann nach einem Autounfall ins Krankenhaus . Sein Nachfolger druckte das Dokument   drei Wochen später aus dem Computer aus. Es lag schon seit Monaten vor und wartete vielleicht nur auf die nötige „Schmiere“. Jetzt muss er nur noch den Vorbesitzer, seinen „Landlord“ herumkriegen, auf den größten Teil seiner unsinnigen Nachforderung von einigen Millionen Rupies (1 Mio.Rupien sind ca. 14.000 €) für den Rest des Grundstückes zu verzichten. Vor Gericht hat der „Landlord“ bereits in der ersten Instanz verloren.

 

Während unseres Aufenthaltes sind wir immer wieder zu den beiden Schülerheimen gefahren  – nach Pipalia ist das seit dem Sommer eine schwierige Angelegenheit: Im letzten Monsun wurde ein Teil der schmalen Randstraße entlang des Flusses unterspült und ist weggebrochen. Wir müssen also mit dem alten Jeep über die – auch nur notdürftig mit Schotter geflickte – zerbrochene Betonfurt fahren und in der Mitte den Rand hinab in das kiesige Flussbett hinunter rumpeln. Dort führt eine Fahrspur über Steine und Kies ein Stück flussabwärts, bis wir mit Anlauf die Böschung wieder hoch  fahren und Anschluss an die Straße gewinnen. Kurz drauf geht es über eine ebenfalls schwer beschädigte Furt durch flaches Wasser über den Hauptarm des Sabarmati-Flusses. Der folgende schmale Weg entspricht zwar auch nicht unseren Vorstellungen von Landstraße, ist aber müheloser zu befahren und führt in vielen Bögen und Ecken unter zum Teil uralten Banyanbäumen hoch zum Weiler Pipalia. Manchmal wunderte ich mich doch, dass der 25 Jahre alte Jeep in dem wir saßen, diese Tortur aushält.

Der Leiter Naranbhai hatte im vergangenen Jahr viele persönliche Probleme und machte manchmal einen niedergeschlagenen Eindruck. Er erzählte: „Wenn meine über 70 Kinder da sind, geht es mir gut. Dann habe ich zu tun, dann kann ich mit ihnen lachen und tanzen. Wenn sie aber ab 10 Uhr in die Schule gehen, wird es ruhig. Dann muss ich an meine Frau und die Kinder denken, die sich von mir getrennt hat. Sie hatte jahrelang ihre erste Stelle als Lehrerin 150km von mir entfernt und da haben wir uns auseinander gelebt. Und ich habe Fehler gemacht. Und nun darf ich meine zwei Kinder nicht mehr sehen. Dazu ist mein Bruder umgekommen. Und ich glaube, dass es kein Unfall sondern Blutrache war.“

 

Ein besonderes Ereignis war der Besuch des Erzbischofs Thomas Macwan von Gandinagar, der zum ersten Mal in diese entlegene Ecke seiner Diözöse kam.

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Es wurde dunkel, als wir mit ihm im alten Jeep über diese Strecke fuhren. Es muss ihm geradezu unheimlich zumute gewesen sein, wie wir durchs Flussbett und über den schmalen Weg durchs dunkle Sabarkantha kurvten. Die 70 Mädchen und Jungen im Heim in Pipalia hatten sich auf den Besuch vorbereitet und empfingen ihn mit temperamentvollen Adivasi Tänzen, mit Liedern und mit Blumensträußen – die Stiele in Zeitungspapier gewickelt. Der Bischhof war beeindruckt, wie Fr. Peter sich in diesem entlegenen Winkel für die zum Teil doch sehr armen Kinder einsetzt und versucht, ihnen eine solide Schulbildung zu ermöglichen. Er hielt auch eine längere Rede an die Schüler, der sie brav zuhörten und die ich allerdings nicht verstehen konnte.

Am Abend – schön warm eingepackt, denn es kann ja nicht geheizt werden – haben wir dann noch im Haus in Jivan Wadi zusammengesessen und viel geredet und gelacht. Da erzählte er auch die – lange – Geschichte seines schönen Bartes, unter dem sein Bischofskreuz fast verschwand. Und ich habe von unseren Unterstützern in Minden erzählt und von den “Mahila Mandals“ (Frauenhilfen) , denen ich von meinen Erlebnissen in Sabarkantha berichten werde.

 

Im Heim Padapat leben derzeit etwas über 50 Schüler. Narayanbai leitet es mit seiner Frau. Bei unserem ersten Besuch wurden wir wieder begirlandet (mit Blumenketten begrüßt).  Obwohl die Kinder auf engstem Raum leben, machten sie einen ausgeglichenen Eindruck. Bei unseren häufigen Besuchen in den drei Wochen haben wir keinen Ärger, kein Schubsen oder sich Streiten beobachtet. Die Kinder wirken einfach zufrieden, obwohl sie wirklich sehr einfach leben. Ein Händler, der von der Regierung verbilligten Reis und Weizen verteilt, hat die kleinen Räume im Untergeschoss seines Hauses für das Heim zur Verfügung gestellt. Die Familie wohnt über den Räumen der 50 Kinder.  Gleich gegenüber liegt die staatliche Schule, die dadurch profitiert, dass täglich über 50 gut vorbereitete und lernwillige Kinder kommen. Bei den Feiern zum Tag der Republik Indien, (26.1.) wurde fast das gesamte Programm von den Heimkindern bestritten.

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Wenn im nächsten Jahr – der Hausbesitzer will das Untergeschoss für Verwandte nutzen –  viele der Kinder in das geplante Schülerheim dicht bei Poshina wechseln sollten, dürfte die Schule den größten Teil ihrer „besseren“ Kinder verlieren. Fr. Peter versucht deshalb ganz in der Nähe von Poshina nun ein eigenes Heim zu bauen. Weil das den Jesuiten schon von früher gehörige Grundstück aber als nicht landwirtschaftlich genutztes Land  im Grundbuch umgeschrieben werden muss, darf Fr. Peter jetzt noch nicht bauen. Das Umschreiben dauert – so wurde es ihm von ihm gewogenen Mitarbeitern  der Kreisverwaltung versprochen – nur ein halbes Jahr. Bis dahin muss er die schon ausgehobenen Fundamentgräben liegen lassen. Eine Mauer um das Land darf er allerdings aus den klein gesprengten Felsen bauen, die hier an die Oberfläche traten. Hoffentlich stimmt das nun mit dem nur ein halbes Jahr.

 

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Während unseres Besuches lud Fr. Peter mehrmals die Dorfältesten aus dem Kreis Poshina zu Gesprächen (und einem guten Essen!) ein. Hauptsächlich ging es um die Vernachlässigung der Adivasigebiete, vor allem um die Reparatur der Straßen und Brücken. Er schaffte es, dass alle 16 Erschienenen ein Schreiben an die Bezirksregierung, die von der Hindupartei gestellt wird,  unterschrieben, dass eine schnelle Reparatur fordert. Im Bezirk hatte ein Mitarbeiter gegenüber Fr.Peter angedeutet, dass sie gar nicht daran dächten, die Schäden zu beseitigen. Die Bewohner hätten ja bei der letzten Wahl im Kreis für die Kongress-Partei und nicht für die Hindupartei gestimmt. Das hätten sie nun davon. Davon, dass sie deshalb nicht für die Hindupartei gestimmt hätten, weil diese nichts für das Adivasigebiet tut, wollten sie nichts wissen.

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Jetzt planen die Dorfältesten, auch die Kinder ihrer Schulen, die über die im Monsun zerstörten Wege müssen und deren Lehrer ihre Schulen in der nächsten Regenzeit wegen der Zerstörungen nicht erreichen können auf zu fordern, Briefe an den Bezirk zu schreiben.

Ich glaube zwar nicht, dass sich in den vier Monaten vor dem Monsun an der Situation groß etwas ändern wird, aber auf die Dauer könnte dieser Weg zum Erfolg führen.

 

Das ist ein erster Bericht über die gute Zeit von drei Wochen, die wir im Januar in Poshina verbrachten.

Ich will versuchen, weitere Bilder und Kurzberichte auf unsere Homepage www.baeume-minden.de

zu stellen. Das dauert dann noch eine Weile.

Allen, die mit ihrem Interesse und auch mit ihren Spenden mitgeholfen haben, einen herzlichen Dank. Im vergangenen Jahr kamen für „Bäume und Kinder“    17.182,70 €    zusammen.

Die Summe ist deshalb so hoch, weil durch den  Besuch von Fr. Peter im Juni 2015 mehrere Sonderspenden zusammen kamen. Aus 2014 übernomen sind 8.150,03 €,

an Fr. Peter überwiesen in 2015 18.317,32 €,  Bleiben für 2016 nach dem 31.März zu überweisen      ca. 7.000 €

Das Geld wird zum größten Teil für die zwei Heime ausgegeben.

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Für die ca. 70 Kinder in Pipalia braucht Fr. Peter täglich   15kg Vollkornmehl für Chapaties, Teigfladen, die in der Küche jeweils zu den Mahlzeiten frisch ausgebacken werden;

14 kg Reis und 3 kg Lentils (Linsen/Daal – wichtig als Eiweisspender) für das Abendessen;

dazu  6 bis 7 kg. Gemüse   und 250gr. scharfes Chilipulver  (jeden Tag!)

Obst und Rohkost gibt es selten. Von einem befreundeten Priester bekam er kürzlich zwei Sack Möhren geschenkt – es war ein Vergnügen, die Kinder diese langen roten Wurzeln knabbern zu sehen.

Mit guten Wünschen für einen schönen Frühling – es muss ja nicht gleich so warm werden (+30°) wie in Poshina! – sind wir

Ihre  Mechthild Linnemann und Ehrhardt Wichmann