Minden, im November 2016
Liebe Freunde der Arbeit von Fr. Peter in Poshina!
Ja, so vielseitig und lebendig wie im letzten Brief, gleich nachdem ich mit meinem Sohn Friedrich aus Indien zurück gekommen war, kann ich diesmal nicht berichten. Aber durch meine wöchentlichen Anrufe in Poshina und durch die (sehr seltenen) Briefe von Fr. Peter bin ich doch einigermaßen gut über die Arbeit in den zwei Schülerheimen und den Fortgang der Landverhandlungen informiert auch wenn die Qualität der Telefonverbindung in der letzten Zeit oft kümmerlich ist.
Ganz herzlichen Dank an die Vielen, die im zu Ende gehenden Jahr durch kleine und große Geldbeträge die Arbeit in Sabarkantha unterstützt haben. Im Moment sind 7.890,66 € auf unserem Konto beim Kreiskirchenamt. Ich werde Fr. Peter fragen, wann ich das Geld nach Sabarkantha überweisen soll.
Zuerst gebe ich einen langen Brief von Fr. Peter vom 7. Juli 2016 wieder: (für einige, die den Brief über das Internet erhalten, eine Wiederholung)
Beginn des Monsun 2016: „Grüße aus dem grünen Poshina.
Nur ein paar Regenschauer, und Land und Temperaturen haben sich dramatisch verändert. Im Fluss hinter dem Grundstück fließt zwar so gut wie kein Wasser, aber beim Hauptfluss über die Straße nach Pipalia (über die Betonfurt) läuft ständig Wasser, das bis zur Hälfte der Jeepreifen reicht.“
(Später allerdings gab es sehr starken Monsunregen, der die Fahrt zum Schülerheim in Pipalia nur über einen weiten Umweg ermöglichte. Die Flüsse wurden zu reißenden Strömen und unterbrachen die Verbindung zum Heim.- siehe Bild)
„Gerade vor zwei Wochen hatte die Furt eine dünne Betondecke erhalten, um all die tiefen Löcher abzudecken. Aber wie üblich war nur wenig Zement in der Mischung.“
Dann kam das große Wasser!
„Nun scheinen die Löcher wieder zum Vorschein zu kommen. Die Offiziellen sagen, im Oktober wird die Arbeit an der neuen Brücke beginnen. Ich glaube ihnen nicht, bis es geschieht.
Inzwischen sehe ich Lehrer, die sich sträuben, in das flach fließende Wasser zu gehen, ihr Motorrad wenden und heimwärts steuern, anstatt in ihre Schule zu fahren. Ich kann sie nicht tadeln. Aber ich tadele die Leute, die nicht protestieren und die Verwaltung, die immer wieder Geld macht mit oberflächlichen Reparaturen.
Monsun, eine Freude für die Kinder von Padapat: Baden und Wäsche waschen
Der Krimi von Padapat
Jedes Jahr, wenn die Schule beginnt, begrüßen das Kollegium, die Eltern und Offizielle der Regierung die neuen Schüler. Dieses Jahr veränderte sich diese einfache Zeremonie in ein großes und tragisches Theater für Mahendrabhai und Mitesh Patel (Schulleiter und seine Frau) von Padapat. Beide waren verantwortlich für die sehr kümmerliche Leistung beim Lernen und zugleich für Unterschlagung von Regierungsgeldern.
Am 8. Juni früh kamen der Justizminister, der Verantwortliche für Distrikt- Entwicklung (und andere mehr), um die Schule zu kontrollieren. Mahendrabhai wurde dabei böse erwischt. Viele Eltern warteten geradezu darauf, sich auf ihn zu stürzen. Von den etwas über fünfzig anwesenden Kindern kamen die meisten von (unserem) Schülerheim.
Die Offiziellen der Regierung begannen damit, die Kinder abzufragen. Diese wussten gut zu antworten. Aber dann machten die Eltern klar, dass dies die Kinder aus dem Heim seien und dass sie gut antworten konnten, weil sie das im Heim gelernt hatten. Nicht in der Schule.
Es wurde nach unserem Heim gefragt. Wer betreibt es? Wie viel Geld verlangen sie für die Heimkinder? Naranbhai (der Leiter des Heimes in Padapat) war anwesend, alles zu beantworten.
Die weitere Befragung ergab, dass Mahendrabhai in seinem eigenem Haus auch ein Schülerheim für 25 Kinder betreibt, für die er jeweils 600 Rupien nimmt (natürlich von der Regierung), aber es sind zu keiner Zeit mehr als 3 oder 4 Kinder da. Father (Peter) nimmt 60 Rupien für den Monat und sein Heim (ist überfüllt und) kann nicht mehr Kinder aufnehmen. Zusätzlich stellte sich heraus, dass Mahendras Familie das Heim selber betreibt: die Frau, die Tochter und zwei Söhne.
Die Frau besorgt auch die Mittagsmahlzeit in der Padapat Schule. Mahendrabhai berechnet auch 16.000 Rupien pro Monat um seine (angeblich 25!) Kinderheim-Kinder in seinem Jeep von und zu der Schule und zurück zu seinem Haus zu fahren, eine Entfernung von 300m! Tatsächlich tut er das nur zweimal im Monat.
Alles Geld, das (von der Regierung) für die Schule gegeben wird, wird von seiner Frau unterschlagen, indem sie die Unterschriften der 5 Mitglieder der Schulpflegschaft fälscht.
So ging es eine lange Zeit, dass Eltern Mahendrabhai und Patel (seine Frau) öffentlich vor den Regierungsvertretern bloßstellten. Der Justizminister verfügte, beide zu einer Schule zwangs zu versetzen, 200km entfernt von Padapat. Das wird etwa 2 Monate dauern, bis eine geeignete Stelle gefunden ist.
Aber jetzt gibt es Gerüchte, dass Mahendrabhai, der noch drei Jahre bis zu seiner Pensionierung hat, verzweifelt versucht, hohe Regierungsbeamte zu bestechen, seine Bestrafung zurück zu nehmen. Deshalb treffen sich Dorfbewohner privat, um ihren nächsten Schritt zu planen.
Wie das alles enden wird, ist schwer vorher zu sagen. Aber was ich feststelle ist deutlich: Viele Eltern wachen auf. Sie wollen, dass ihre Kinder in der Schule lernen und zwar gut. Einige unserer Heimkinder, die uns im Mai verließen, haben nun einen Platz irgendwo in einer unserer weiter- führenden Missionsschulen und lernen dort weiter – und sie sind zuversichtlich! Das ganze Dorf hat das mitbekommen und so sind die Eltern wütend über die offensichtliche Missachtung durch den Schulleiter und das Kollegium. Es ist kriminell, um es auf den Punkt zu bringen.
Während ich das unter dem Mongobaum schreibe, hebt eine große Kobra ihren Kopf hoch im Gemüsegarten und mustert ihr (Jagd-)Gebiet. Ich hatte lange keine mehr gesehen. Ich hoffe, sie kommt dem Haus nicht zu nahe; unsere Hunde sind gut darin, sie zu töten.“
(Fr. Peter achtet diese Schlangen, nicht nur weil sie von den Adivasi geachtet werden, sondern auch, weil sie die Ratten bekämpfen.)
Inzwischen hat es Mitte August gut und ausdauernd geregnet. Auch hinter dem Grundstück fließt Wasser im Fluss. Das wird dem Grundwasser und damit auch dem Winteranbau von Weizen gut tun. Für eine gute Maisernte kam der Regen wohl zu spät. Aber die Brunnen werden ausreichend Wasser für die lange, trockene Winterzeit haben.
Umtausch der alten Banknoten in ganz Indien
Sie haben vielleicht im Fernsehen die kurze Meldung gehört: Die bisherigen Banknoten in Indien müssen bei den Banken in neue Scheine umgetauscht werden, um die Geldwäsche zu stoppen. Das bringt Millionen von armen Menschen zur Verzweiflung. Es darf nur ein begrenzter Betrag auf einmal getauscht werden. Vor den Banken bilden sich lange Schlangen, in denen die Menschen zwei bis fünf Stunden warten, ehe sie an die Reihe kommen. Und dann können sie auch nur eine begrenzte Summe umtauschen. Für Arbeiter, die täglich auf ihren Verdienst angewiesen sind, und vielleicht eine Summe Geld in Banknoten als Notreserve oder für eine Hochzeit gespart hatten, eine schwer tragbare zusätzliche Belastung. Wie können sie ihre Arbeit machen, wenn sie stundenlang bei einer Bank anstehen?!
Auch Father Peter hat schon einige Male bis zu drei Stunden bei der Bank in Poshina angestanden, um neue Banknoten für den Einkauf von Gemüse für seine beiden Heime zu bekommen.
Einen Vorteil hat die ganze Sache, erzählte er mir lachend am Telefon: Ich muss am 22.11. wieder zum Amt nach Kedbrahma und da werde ich ihnen erzählen, dass ich „leider“ kein Schmiergeld zahlen kann, weil ich nicht so viel umgetauscht bekomme. Deshalb könnten sie mir ruhig die – sicher seit langem schon fertigen – Papiere herausgeben. „Schmiergeld geht jetzt nicht“!
Ob das so klappen wird? – ich denke, Fr. Peter glaubt da selber nicht so ganz dran.
Der geplante Bau eines neuen Schülerheimes dicht bei Poshina kann so durch das immer weiter hinausgezögerte Genehmigungsverfahren immer noch nicht beginnen.
Die Arbeit in den beiden Heimen läuft wie gewohnt weiter. In Padapat lernen im Moment ca. 40 Kinder, in Pipalia mehr als 75. Ein- bis zweimal in der Woche fährt Fr. Peter mit seinem alten Jeep zu den Heimen, um mit den Kindern und Lehren zu sprechen, Probleme zu bearbeiten und auch Gemüse und Korn, Öl und Gewürze zu bringen. Da es auf seinem Grundstück viele Bäume und Sträucher gibt, bringt er ihnen auch immer wieder Holz. Dann ist sein Jeep voller Brennholz, damit Reis und Gemüse gekocht und Chapaties gebacken werden können.
Zum Glück ist das Heim in Pipalia inzwischen wieder auf dem direkten Weg erreichbar, nachdem die Monsunwasser abgeflossen sind. Direkter Weg heißt allerdings: Kurz vor Poshina ins trockene Flussbett hinunter fahren, dort über Sand und Kies vielleicht 200m fahren und dann mit Anlauf die steile Böschung hinauf auf den alten Weg. Von dort sind es noch 200m zur Betonfurt über den Hauptarm des Flusses. Da werden inzwischen auch die schlimmsten der großen Löcher, die der Strom im Monsun gerissen hat, provisorisch mit Sand und Steinen verfüllt sein.
„Im Oktober beginnen wir mit dem Bau der neuen richtigen Brücken“, hatten Vertreter der Bezirksregierung im Monsun den aufgebrachten Bewohnern versprochen. Die Pläne liegen ja lange fertig vor, das Geld war bewilligt. Aber davon ist jetzt (natürlich) keine Rede mehr. Ich bin gespannt, ob Fr. Peter den Brückenbau noch erleben wird.
Mangobäume pflanzen Zum Beginn der Monsunzeit hatte Fr. Peter für jedes Kind seiner zwei Heime einen Mangobäumling in Südgujarat gekauft.
Die sind inzwischen an die Kinder verteilt. Jedes Kind musste dafür in der Nähe seines Elternhauses das Pflanzloch graben und bekam dafür einen kleinen Geldbetrag.
Und nun besucht Fr. Peter die Eltern seiner SchülerInnen, um die kleinen Bäumchen zu inspizieren. Sind sie in gutem Zustand, sorgfältig durch Dornengestrüpp vor Kühen und Ziegen geschützt und werden sie gegossen wenn das nötig ist, bekommen die Kinder noch einmal etwas Geld.
Ich bin sehr gespannt, wie viele der Bäumchen groß werden und in ca. 7 Jahren die ersten Früchte tragen.
Wir wünschen Ihnen von Herzen eine gute Adventszeit
und ein gesegnetes Weihnachtsfest
mit gelungenem Freude-Bereiten
und der großen Freude in und um uns herum,
dass Gott dicht bei uns wohnen will (wie es im Johannesevangelium ausgedrückt wird),
dass wir sein Licht und seine Liebe weitergeben können an Andere,
die sich nach Wärme und Liebe sehnen.
Ihre
Mechthild Linnemann und Ehrhardt Wichmann